• Rendezvous in der Tisch-Rikscha, 07. April 2014, Trierischer Volksfreund

    Posted on 8. April 2014 by admin in Presse.

    Die Trierer Künstlerin Pia Müller bringt einen jungen und einen alten Menschen in der Fahrrad-Rikscha an einen Tisch. Kostenlos kutschiert sie die beiden Generationen durch Trier. Das Ziel der Fahrt bestimmt der “alte” Mensch. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen – eine Reise, wohl besser als jeder Reiseführer.

    Trierischer Volksfreund 07.04.2014

    Trierischer Volksfreund 07.04.2014


    Außergewöhnliche Begegnung: Pia Müller fährt die 64-jährige Gisela Wiersch und Johannes Gehl durch Trier. Dabei erzählt die Seniorin dem jungen Mann von ihren Erlebnissen in der Stadt. TV-Foto: Katja Bernardy
    Trier. Gisela Wiersch ist ein Kind der Stadt. Seit ihrer Geburt vor 64 Jahren lebt sie in Trier. “Wenn mein Dom läutet und Amseln zwitschern, dann klappt was aus meiner Kindheit auf”, sagt sie, während Pia Müller ihre Kaffeeschürze zurechtzupft und aufs Rad steigt. Gisela Wiersch hat gemütlich in der Rikscha Platz genommen, neben sie gesellt sich ein ihr bis dato unbekannter junger Mann: Johannes Gehl (31) studiert Anglistik und Phonetik an der Universität Trier und stammt aus Merzig. “Ich kenne kein Trierer Ur-Gestein, und ich glaube, so Einblicke in die Stadt zu bekommen, die es in keinem Reiseführer gibt”, erklärt der junge Mann, warum er für ein, zwei Stunden Teil des Kunstprojekts “Tisch-Rikscha” sein möchte. Wiersch ist Fan der Künstlerin Pia Müller und hat über einen Flyer von der Aktion erfahren – und sich sofort gemeldet.
    Picknick? Undenkbar!
    Pia Müller tritt in die Pedale, vom Viehmarkt aus geht es zum Palastgarten. “Früher hat ein Wachmann mit Schäferhund genau aufgepasst, dass niemand den Rasen betritt”, plaudert die Mittsechzigerin. “Picknicken wäre hier undenkbar gewesen.” Nächste Station: der Dom. Dort serviert die gebürtige Wittlicherin Pia Müller ihren freudig klönenden Gästen auf dem Rikscha-Tisch eine Tasse Kaffee und ein Stück Rhabarberstreusel. “Wohin fahren wir?”, fragt sie nach dem Zwischenstopp. “Bitte in die Glockenstraße, wo ich aufgewachsen bin”, sagt Gisela Wiersch. Über den Hauptmarkt kutschiert die 35-Jährige ihre Gäste, begleitet von zig wohlwollend lächelnden Passanten, zum ehemaligen Elternhaus der Seniorin.
    Im vergangenen Jahr hatte die mehrfach ausgezeichnete Performance-Künstlerin die Idee zu dem Kunstprojekt im öffentlichen Raum. Es ist Teil der landesweiten Tischtransaktion (siehe Extra). Pia Müller lädt Jung und Alt aus Trier ein, sich in der Tisch-Rikscha zu begegnen. Ziel der Fahrt ist immer ein vom “alten” Menschen ausgewählter Ort. “Die wenigsten Großeltern leben in der gleichen Stadt wie die Enkel”, sagt Müller. “Meine Mutter hat noch erlebt, dass ihre Oma nach dem Tod im Haus aufgebahrt wurde”, erzählt sie weiter.
    Heute erlebe sie oft Angst bei jüngeren Generationen, alternden Menschen zu begegnen. In der Tisch-Rikscha sollen sie sich wieder näher kommen. “Wenn man durch die Stadt gekutschelt wird, ist die Atmosphäre lockerer als zu Hause am Kaffeetisch”, meinte Gehl nach eineinhalb Stunden Begegnungsreise. Genau dieser Punkt war es, der die Künstlerin veranlasst hatte, eine Alternative zum Kaffeeklatsch am Esstisch zu suchen. Wiersch: “Während der Fahrt kann der Gesprächsstoff nicht ausgehen, weil sich drum herum ständig Neues auftut.” So hatte es sich Müller gedacht. Und ein weiterer Aspekt hatte im Vorfeld ihrer Überlegungen noch eine Rolle gespielt: “Ich liebe es, Sachen aus der Geschwindigkeit zu nehmen” sagt die Rikscha-Fahrerin, während sie fernab jeder Hektik weiter radelt. Am Ausgangspunkt endet der Kaffeeklatsch wieder. “Ich werde sicher noch oft an das denken, was Frau Wiersch erzählt hat”, sagt Johannes Gehl.
    Pia Müller strampelt und serviert zwar, aber sie erfährt selbst auch Neues über eine Stadt, von der sie viel, aber bei weitem nicht alles weiß. “Für mich ist es eine Win-Win-Situation”, sagt sie nach der Premierenfahrt. Also eine Situation, von der alle Beteiligten einen Nutzen haben. Den haben auch Jung und Alt, wenn sie einander begegnen. von Katja Bernardy
    Extra
    Im April können Interessierte die Tisch-Rikscha freitags bis sonntags ab 14 Uhr in Trier sehen oder selbst als Gast mitfahren. Ziel der Fahrt ist ein ausgewählter Ort des “alten” Menschen, zu dem er seiner jungen Begleitung eine Geschichte erzählen kann. Die Mitfahrenden müssen in Trier wohnen, das Paar darf sich nicht kennen. Kostenlose Anmeldung unter Telefon 0176/99930932 oder E-Mail an info@piaart.de. Weitere Informationen finden Sie unter www.piaart.de. Das Projekt wird von Fonds Soziokultur, Tischtransaktion Rheinland-Pfalz (RLP) und der Stiftung RLP Kultur gefördert. Weitere Infos unter www.blog.tischtransaktion.de kat

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