• Sätze und Gedanken, Boris Nieslony, 2012

    Posted on 16. Februar 2013 by admin in Wort 2012.

    Schon der Begriff Tischgesellschaft deutet auf einen substantiellen Sinn hin, der zwischen einem Ding und einem Gegenstand herrscht.

    Der Tisch ist faktisch eine Fläche (Ding) die mittels 4 Beinen auf eine Höhe über den Erdboden gehoben, erhoben und manchmal überhöht wird. Diese Fläche bedingt eine Verbundenheit mit Gesellschaft (Gegenstand).

    Treffpunkt, Anziehungspunkt und Brennpunkt – das Sehnsuchtmöbel Tisch, mit  vier Beinen, drei Beinen oder dominanter – die tragende Säule. Mittelpunkt, an dem sich zwei-, drei- und vierbeinige sich dem „Stell-Dich-Ein“ widmen.

    Das Möbel kann eins, es bringt zusammen. Clever, vom Stehen ins Sitzen gebracht ist physisches angreifen oder wegrennen sehr schlecht möglich. Man verfällt ins Reden, ins Spielen, ins Teilen von Speis und Trank. Er stellt sich manchmal dazwischen, vermittelt und wird Mittelpunkt. Tische sind Begleiter, sind die Gravitation von dem Gemein-Sinn, der Heim und Heimat genannt wird.

    Martin Buber, Philosoph und Mittler zwischen den Religionen fand einen wunderbaren Satz: „Begegnung liegt nicht in Zeit und Raum, sonder Raum und Zeit liegen in Begegnung.“

    Diese Erkenntnis hat eine Qualität, die man spirituell oder magisch nennen kann. Ist einer der Momente, wo der Mensch sich im Licht des Seelischen zeigt.

    Moment wird Ort, ist Ausdruck des Gemein-Sinns und tätige Handlung an der Gemeinschaft. Das ganze Ensemble von Techniken, die am Tisch, auf den Tisch und oft unter ihm zu verhandeln sind.

     

    Die Geste „Tisch“

    Über Jahrtausende hinweg kristallisierte sich die Geste „Tisch“ als das ein tragendes Symbol für Begegnung heraus.

    Interessant ist, das sich nicht in allen Kulturen und bei den unterschiedlichsten Völkern mit hoch entwickelten Gemeinschaften dieses Symbol „Tisch“ nicht vorkommt.

    Dies zeigt auch etwas über die abendländische Kultur und die Nutzung ihrer Symbole.

    Der Tisch als Stellvertreter für Kultur und Verweiser für die Lebensweise der Menschen, die sich um ihn versammeln.

    „Es ist von einem Tisch ablesbar, aus welchem kulturellen Kontext und zivilisatorischen Bedingungen er stammt, nicht zuletzt, weil er auch selber ein Ort der stetigen Kultivierung ist.“

    Die Geste Tisch beinhaltet u.a. das Einhalten von Tischmanieren, die rituelle Einverleibung von Speisen, die rituelle Platzierung und Positionierung von Personen und, nicht zu vernachlässigen, Ort der intimen Rede.

     

    Was aber passiert bei einer TISCHTRANSAKTION?

    „Zunächst stellt sie einen Eingriff in normale Alltagsabläufe dar. Eine Veränderung der gewohnten Lebenswelt wird künstlich“. Doch nicht künstlich, wie es in einer Studie heißt, wird die gewohnte Lebenswelt, sondern im Sinne des Sozial-Kulturellen wird sie ritualisiert. Diese Performativität alltäglichen Tuns transformiert diese in die Qualität gesteigerter Erfahrung und erweiterter Erkenntnis – der Tisch wird ein Ort der verdichteten Begegnung und verändertem Verhalten der Gemeinschaft aufscheinen lässt.

     

    Sobald Menschen mit der Idee der TISCHTRANSAKTION überrascht, informiert oder konfrontiert wurden, geschahen merkwürdige, spontane Äußerungen.

    Mit der positiven Äußerung beginnend: „Toll, ich mach da mit“, „Sofort“, oder “Das ist es!“.

    Diese begrüßende, einladende Haltung ist fraglos unterstützend und wunderbar.

     

    Die negative Äußerung, fast genauso entschieden: „Nee, meinen Tisch gebe ich nicht her“ oder

    „Ich lass keinen in meine Bude“.

    Die verneinende Äußerung ist nicht strukturell eine ablehnende Haltung. Zweifel und Ängstlichkeit, diverse Erfahrungen kennzeichnen eine Absage. Dies heißt nicht, das die Personen nicht gerne Einladungen folgen und ebenso sehr liebenswerte Kommunikation pflegen. Das Projekt lebt nicht nur davon, dass Teilnehmer ihre Tische tauschen, sondern auch, dass die Besucher Teilnehmende sind und den Gedanken dadurch weitertragen.

     

    Ein Nachdenken darüber lässt Fragen entstehen, die auf beide Äußerungen anzuwenden sind.

    Wie und was lässt Menschen so spontan dieses Projekt begrüßen oder ablehnen?

    Welche Argumente werden dann nach kurzem Nachdenken zur Begründung gewählt?

    Und mit welchen Argumenten ist zu antworten?

     

    Auffallend bei den zustimmenden Haltungen ist das Erkennen der eigenen Möglichkeiten selbst aktiv zu werden. Ein Schwall von Vorschlägen, Weiterentwicklungen und Parallelitäten überschwemmten das Gespräch. Was dabei zu tage trat, waren Formen der Partizipation, die keine vorgeschriebenen sind und nicht den bedachten Vorschriften der Projektgeber unterlagen. Wir wurden überrascht.

    Dieses „wesentliche“ in der Teilnahme verstärkt das Projekt und kommuniziert mit vielen uns bekannten und nicht bekannten Beteiligten.

    Form der Gedanken ist die Idee, dass die TISCHTRANSAKTION Rahmenbedingen erstellt, die von den Teilnehmern und Teilgebern ausgefüllt werden. „Sie sind integraler Bestandteil desselben, zumindest meines Erachtens.“ Sie richten Kräfte.

    Innerhalb der Kunst stellt es die Öffnung dar, den Begriff des Publikums zu verlassen und den der Teilnahme als Teilgabe einzuführen. Den Teilnehmern eigen ist die Eigendynamik und der permanenter Anstoß die kommunikative Bewegung in Fluss zu halten.

     

    Zu guter Letzt:

    Um es salopp auszudrücken: Sorgen Sie bloß dafür, dass keiner der Tische jemals im Museum landet, oder weniger drastisch: dass sich die Institutionen nicht in die Transaktion einklinken. Als Relais des Diskurses über die Bedeutsamkeit dieser Funktion würden sie die Handlung an sich ad absurdum führen und damit meines Erachtens unnötig machen.
    Dr. Lars Blunck

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